Manche scheuen sie, manche lieben sie. Sind wir Kind, wird sie von unseren Eltern getragen und wir lernen erst Stück für Stück in allen Lebensbereichen, sie selbst zu übernehmen. Die Rede ist von Verantwortung. Einmal erwachsen, liegt die Verantwortung für ein gutes Leben in unseren eigenen Händen. Eine unermessliche Freiheit, die uns da geschenkt wird, die jedoch manchmal durch die Gespenster der Vergangenheit getrübt ist.

Die Sache mit der Verantwortung und wie wir mit ihr umgehen beginnt also schon sehr früh in unserem Leben. Forschungen zeigen, dass selbst Säuglinge bedacht sind darauf, die Aufmerksamkeit der Mama zu erhalten und sich über Verhaltensänderungen darum bemühen. Kleinkinder nehmen alles persönlich, so meinen sie, dass sie verantwortlich sind, für das was geschieht. Wenn ihre Eltern ein unadäquates Verhalten an den Tag legen oder nicht einfühlsam sind, dann sagen sie sich im Inneren nicht, die Mama spinnt gerade wieder mal und die bräuchte eine Therapie sondern sie geben sich die Schuld: Wegen mir ist die Mama ärgerlich, wegen mir lassen sich die Eltern scheiden usw. Eine Verantwortung, die sich aus der Notwendigkeit der Abhängigkeit von der elterlichen Fürsorge ergibt. Kleine Kinder sind absolut angewiesen auf die Bindung zu Erwachsenen. Einzig deren Zuwendung in materieller, physischer und emotionaler Hinsicht ist es, die das Überleben sichert. Gerät das in Schieflage, entsteht daraus eine existenzielle Bedrohung.
Das kleine Wesen in Not setzt deshalb alles daran, die Bindung zu den Eltern wieder zu kitten und übernimmt unbewusst die Verantwortung, in dem es z.B. verschiedenste Anpassungsstrategien wie Vermeiden, Verdrängen oder Unterwerfen einsetzt – es benimmt sich so, wie es meint, dass es sein soll, um geliebt zu werden. Strategien, die später im Erwachsenenleben weiter fortbestehen, obwohl es hier längst nicht mehr um die Sicherung des Überlebens geht. Und es sind Strategien, die großen Einfluss nehmen auf die engsten Beziehungen wie die Partnerschaft, jenem Schauplatz, an dem wir häufig die Erfahrung der ersten „Liebesbeziehung“ – jener zu den Eltern – reinszenieren. Die Partnerin oder der Partner werden dann zur Projektionsfläche.
Selbstbestimmung leben
So leben wir unbewusst in der Partnerschaft die Vergangenheit nach, stellen etwa eigene Bedürfnisse hinten an, weil wir doch gelernt haben, diese zu unterdrücken, damit die Bindung nicht gefährdet ist. Es ist nicht verwunderlich, dass wir uns unfrei fühlen und es an Selbstbestimmung mangelt. Vielleicht wandelt sich das in den Versuch über den anderen bestimmen zu wollen – so muss sich nur die Partnerin oder der Partner endlich ändern, dies tun oder jenes unterlassen, damit wir selbst glücklich sein können. Was hier im kleinen Rahmen geschieht, wird ausgeweitet in die anderen Felder des Lebens, in Beziehungen aller Art. Ist das der Weg der Befreiung, wenn die anderen sich dem eigenen Willen beugen? Die anderen, das sind Partner, Kinder, Nachbarn, Gesellschaft, Politik etc.? Entspricht das nicht vielmehr der Denkweise, die anderen sind „schuld“ daran, dass es mir nicht gut geht und deswegen sollen sie das auch richten? Schlussendlich überlassen wir so den anderen die Verantwortung für die eigene Zufriedenheit – der zielgerade Weg in die Abhängigkeit.

Einstmals in der Kindheit waren wir wie erwähnt abhängig von unseren Eltern. Je mehr wir allerdings heranreifen, umso mehr lösen wir uns naturgemäß aus dieser Abhängigkeit und gehen in die Freiheit, das eigene Leben so zu gestalten, wie wir es gerne möchten. Idealerweise übernehmen wir die volle Verantwortung für das Gelingen unseres Lebens, was auch bedeutet, aus dem Korsett der Vorstellungen, wie wir sein sollen, herauszuschlüpfen. Weder verbiegen wir uns für andere, in der Annahme, dass wir nur dann geliebt werden, noch diktieren wir den Menschen in unserer Umgebung, wie sie zu sein haben, damit es uns gefällt. Die wahre Freiheit liegt darin ein Leben zu leben, wie man es für sich möchte und zu respektieren, dass das alle anderen um einen herum ebenso tun.
Verantwortung für mich und die ganze Welt
Nun sind wir als Menschen nicht nur Individuen, sondern eingebettet in ein großes Gefüge, das wir Welt nennen können. Um es etwas greifbarer zu machen, wollen wir vom Planeten Erde sprechen. Wir sind niemals losgelöst aus diesem System, schon alleine unser Atem zeigt es: Gemeinsam in einem Raum mit anderen Menschen teilen wir uns die Atemluft; das CO2, das Menschen ausatmen wird von Pflanzen in der Photosynthese umgewandelt in Sauerstoff, den wiederum der Mensch braucht – ein ewiger Kreislauf. Dieses simple Beispiel des Atmens zeigt, dass wir niemals alleine sind und alle unsere Entscheidungen und Handlungen immer auch das gesamte System beeinflussen.
Indigene Kulturen haben dafür eine wunderbare Ausrichtung: Sie sagen, dass wir jede Handlung darauf prüfen sollen, ob sich diese auf die sieben folgenden Generationen so auswirkt, dass die, die uns nachfolgen, eine schöne und lebenswerte Erde vorfinden. Oder wie Gandhi es formulierte: „Sei du selbst die Veränderung, die du dir für diese Welt wünschst.“ Es darf uns bewusst sein, dass wir nicht nur die Verantwortung für das eigene gute und erfüllte Leben tragen, sondern immer auch Spuren bei unseren Schwestern und Brüdern Mensch, Tier, Pflanze und Steinen hinterlassen.

INFOBOX
VERANTWORTUNG BEGINNT BEI DEN BEDÜRFNISSEN
Die Verantwortung für ein gutes und erfülltes Leben geht vom Wahrnehmen eigener Bedürfnisse bis hin dafür zu sorgen, dass sie angemessen befriedigt werden.
1. Das Bedürfnis wahrnehmen
Was brauche ich in diesem Moment wirklich? Habe ich Hunger, Durst oder bin müde? Wünsche ich mir Anerkennung, Aufmerksamkeit oder Ruhe? Die Wegweiser zu unseren Bedürfnissen sind die Gefühle. Ein Gefühl von Langeweile könnte auf ein Bedürfnis nach Anregung deuten. Wut hingegen könnte anzeigen, dass ein Bedürfnis nach Autonomie verletzt ist. Traurigkeit weist auf Zuwendung und Trost usw.
2. Das Bedürfnis erfüllen
Es ist wichtig, zwischen Bedürfnis und Strategie zur Bedürfniserfüllung zu unterscheiden. Ein Beispiel dazu: Da ist ein Wunsch nach Zuwendung (Bedürfnis), die ich mir von meiner Partnerin/meinem Partner in Form von einem Gespräch wünsche (Lösungsstrategie). Nun kann es sein, dass meine Partnerin/mein Partner dafür gerade nicht bereit ist, weil er/sie sich Ruhe wünscht. Es treffen zwei unterschiedliche Bedürfnisse aufeinander. Damit das Bedürfnis nach Zuwendung sich erfüllen kann, ist eine Änderung der Lösungsstrategie nützlich. So kann ich mich z.B. an eine Freundin oder einen Freund wenden, die gerade Zeit haben für ein Gespräch und wo ich die gewünschte Zuwendung erfahre.
3. Das Bedürfnis bzw. die Lösungsstrategie prüfen
Wir sagen gerne: "Ich brauche was Süßes, eine Zigarette, ein Glas Wein etc." Das sind Beispiele für Strategien zur Erfüllung eines Bedürfnisses, nicht das Bedürfnis selbst. Hier im Besonderen könnte sich verbergen, dass ein Bedürfnis nach Geborgenheit, Zuwendung oder Aufmerksamkeit durch Zucker, Alkohol oder andere Substanzen, die abhängig machen, kompensiert wird. Das wahre Bedürfnis bleibt unerfüllt, einzig das unangenehme Gefühl, das ein unerfülltes Bedürfnis hinterlässt, wird gedämpft oder verschwindet kurzzeitig.
Hier bekommt Verantwortung zusätzliche Dimensionen, denn dem regelmäßigen Griff z.B. zum Süßen kann ein ungesunder Effekt für die Gesundheit erwachsen. In erster Konsequenz bedeutet das Ja zu Schokolade & Co kurzfristiges Wohlbefinden (durch ein Verdrängen der unangenehmen Gefühle), in zweiter möglicherweise Gewichtszunahme, in dritter und vierter könnten sich Herz-Kreislaufbeschwerden oder Diabetes dazu gesellen. Nachdem letzteres in weiterer Ferne liegt und durchaus ungewiss ist, lassen sich potentielle unangenehme Folgen leicht fernhalten aus dem Bewusstsein. Schlussendlich macht das ehrliche Erforschen eines Bedürfnisses jedoch Sinn, denn es führt uns auf den Weg, uns liebevoll darum zu kümmern, das zu bekommen, was wir wirklich brauchen. Es ist Selbstliebe pur.
LITERATUR
Fühl dich ganz: Was wir gewinnen, wenn wir unsere Emotionen verstehen und zulassen
Lukas Klaschinski, 2024
Wer wir sind – Wie wir wahrnehmen, fühlen und lieben
Stefanie Stahl, 2023

Neugierig?
Du suchst einen Weg, dich sicher und verbunden zu fühlen? Du möchtest deine volle Lebenskraft spüren und in Kontakt sein mit deiner inneren Weisheit, um deinen Lebensträumen zu folgen? Ich begleite dich gerne in Einzelsitzungen, mit Ritualen oder fotografisch, sodass du dir selbst begegnen kannst und deine Lebensenergie harmonisch im Fluss ist.
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